Navigieren in Oberegg

Geschichte

 

Das Oberegger Geschichtsbuch kann für CHF 54.00 bei der Bezirksverwaltung Oberegg bezogen werden. 

 

 

Ein spätrömischer Münzfund beim Weiler Heilbrunn ist der früheste Hinweis auf die Anwesenheit von Menschen auf dem späteren Bezirksgebiet von Oberegg. Die eigentliche Besiedlung fand als letzte Region des Appenzellerlands vor allem im 12. und 13. Jahrhundert statt. Einzig der Weiler Büriswilen trägt einen frühmittelalterlichen Namen aus der Karolingerzeit. Die Siedler stammten überwiegend aus dem Rheintal, von den Höfen Bernang, Marbach und Altstätten, sowie zu einem kleinen Teil vom Goldachtal her. Sie liessen sich als Familienverbände in Einzelhöfen nieder, deren Parzellen sie zuvor aus dem Wald herausgerodet hatten. Die Neusiedler waren Untertanen des Abtes von St. Gallen, an den auch Abgaben zu entrichten waren. Daneben standen die weltlichen Herren von Rosenberg-Berneck und die Meier von Altstätten. Letztere errichteten an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert auf heutigem Bezirksgebiet von Oberegg die Burg Hoch-Altstätten.

Das Gebiet des späteren Bezirks Oberegg wurde als Resultat der Appenzellerkriege zu Beginn des 15. Jahrhunderts zur Rhode Trogen geschlagen und damit appenzellisch. Weiterhin wurden jedoch Abgaben ins Rheintal entrichtet – die letzte Ablösung dieser Zehnten geschah erst zu Ende des 16. Jahrhunderts – und auch der Kirchgang führte nach wie vor dorthin. 1428 versuchte der Graf von Toggenburg gewaltsam, im Grenzgebiet von Altstätten appenzellisches Territorium zu erobern, die nationalistische Geschichtsschreibung spricht in diesem Zusammenhang von einer «Schlacht bei Honegg» auf nachmaligem Oberegger Gebiet. Die Grenzen des Appenzellerlands gegen das Rheintal wurden schliesslich 1465 vom Abt von St. Gallen verbrieft. Das Herausbilden eines politischen Selbstbewusstseins auf nachmaligem Oberegger Gebiet innerhalb der Rhode Trogen – namentlich die Gebiete Oberegg und Hirschberg – ist ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nachvollziehbar. So wird 1470 ein Wegrechtsbrief von einer «Nachpurschaft am Hersperg [Hirschberg]» gesiegelt. Der Name Oberegg taucht erstmals 1535 als Weilername in einer Haushaltszählung auf.

Durch das wegen der Reformation im Land Appenzell 1525 eingeführte Kirchhöreprinzip – also dem Prinzip, dass jede Rhode sich für eine Konfession entscheiden musste – bekannte sich die Rhode Trogen zum reformierten Glauben. In Oberegg-Hirschberg verblieben aber trotzdem viele Familien beim alten Glauben, da sie in die paritätischen Rheintaler Kirchgemeinden pfarrgenössig waren. Das führte 1597 bei der Appenzeller Landteilung in die beiden Halbstände Inner- und Ausserrhoden dazu, dass die katholischen Liegenschaften in den nun neu als Halbrhoden bezeichneten Gebieten Oberegg und Hirschberg zu Appenzell Innerrhoden geschlagen wurden, die reformierten Liegenschaften zu Appenzell Ausserrhoden. Als Resultat entstand ein unzusammenhängender, territorialer Flickenteppich. Dieser unbefriedigende Zustand blieb bis ins 19. Jahrhundert bestehen und führte zu einer Reihe von Grenzstreitigkeiten zwischen den Halbständen.

1654 wurde mit dem Bau der Pfarrkirche für die katholischen Bewohner von Oberegg-Hirschberg im Weiler Oberrickenbach begonnen. Der Ort lag auf dem Gebiet der Halbrhode Hirschberg, das nun im Entstehen begriffene Dorf erhielt als Kompromiss den Namen Oberegg. 1658 wurde mit der Weihe der Pfarrkirche auch die Pfarrei errichtet. Die Errichtung einer Kaplanei folgte kurz darauf. Die Stelle war ursprünglich bei der Kapelle Eschenmoos angesiedelt, wechselte jedoch bald ins Dorf. Zur Pfarrei gehört ebenfalls die zu Beginn des 18. Jahrhunderts errichtete Kapelle St. Anton. Bis ins 19. Jahrhundert waren der Pfarrer und der Kaplan für den Schulunterricht zuständig.

In der Zeit der Helvetik (1798–1803) wurden Oberegg und Hirschberg dem Distrikt Wald zugeschlagen, während die Weiler Kapf und Boden zum Distrikt Oberrheintal kamen. Beide Distrikte lagen im neugegründeten Kanton Säntis. Die Oberegger waren mehrheitlich gegen die Neuordnung, was zu einer Verweigerung der Eidesleistung auf die neue Konstitution führte. Daraufhin führten Herisauer Exekutionstruppen eine Entwaffnung der Oberegger durch. Der Eid wurde daraufhin geleistet. Nach Ende der Helvetik kamen Oberegg und Hirschberg als Halbrhoden wiederum zum Kanton Appenzell Innerrhoden. In der Zeit der Mediation (1803–1815) lebten die Streitigkeiten um die Grenzziehung zwischen Inner- und Ausserrhoden im Gebiet Oberegg und Hirschberg wieder auf. Trotz eines von der Tagsatzung eingeführten Schiedsgerichtes, konnten die definitiven Grenzen erst nach der Gründung des Bundesstaats und nach erneuten jahrelangen Verhandlungen unter Aufsicht zweier eidgenössischer Vermittler mit einem Schiedsspruch des Bundesrats 1870 gezogen werden. Der Bezirk Oberegg entstand in seiner heutigen Form im Gefolge einer neuen Kantonsverfassung 1872 aus der Fusion der Halbrhoden Hirschberg und Oberegg.

Oberegg erlebte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bis zum Ersten Weltkrieg eine Gründerzeit, in der die meisten Institutionen und Infrastrukturen neu errichtet oder grundlegend modernisiert wurden. Dazu gehört der Strassenbau, das Postwesen und die Stromversorgung ebenso wie das Vereinswesen, die öffentliche Hand, das Schulwesen oder die Errichtung von gleich zwei Bankinstituten auf Bezirksebene. Zusammen mit der politischen Eigenständigkeit führte dies zu einer ausgeprägten Autonomie, die auch im kollektiven Bewusstsein als solche wahrgenommen wurde. Während die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts als Krisenzeit diesbezüglich keine weitreichenden Veränderungen sah, wurden ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermehrt Zusammenarbeiten mit den regionalen Nachbarn angestrebt oder bisher eigenständig wahrgenommene Kompetenzen dem Kanton übertragen. Der Status als Exklave von Appenzell Innerrhoden bringt es mit sich, dass die Wahrnehmung von Oberegg als «Sonderfall» bis heute existiert.